Interdisziplinäres Arbeiten, wie es an Fachhochschulen propagiert
wird, ist in den «Performing Arts» wie Musik oder
Theater eine Selbstverständlichkeit. Schon bei der einfachen
Vertonung eines literarischen Textes werden unterschiedliche
ästhetische Bereiche verbunden. Und bei der
Aufführung kommenweitere Gestaltungsebenen hinzu: Das
Setting auf der Bühne muss visuell gestaltet werden, die
Bewegungen im Raum erfordern eine Choreografie und
der Regisseur muss all diese Elemente in einen stimmigen
Zusammenhang und Ablauf bringen. Vieles davon wird im
Hörstück-Projekt «word by word» der Jazz-Abteilung der
MHS Luzern exemplarisch umgesetzt. Da zeigt der thematische
Ansatz, dass künstlerisches Arbeiten immer auch eine
Art angewandte Forschung ist: Anhand von literarischen
Texten erkundet die Vokalistin Susanne Abbuehl mit 12 Studierenden
(10 Frauen, 2 Männer) verschiedene Möglichkeiten,
wie Sprache in Musik umgesetzt werden kann.
Über kulturelle und stilistische Grenzen hinweg
Zudem wird der interdisziplinäre Aspekt durch eine ausserschulische
Zusammenarbeit eingelöst, die der Kooperation
anderer Fachhochschulen mit der Wirtschaft entspricht.
Denn Regie führt Hörspielregisseur Claude Pierre Salmony
von Radio DRS 2, das das Hörstück co-produziert und ausstrahlen
wird.
Zwar sind am «word-by-word»-Projekt keine weiteren
Fachhochschul-Lehrkräfte wie etwa Kompositions-Dozierende
oder Anglisten beteiligt. Dafür überschreitet Abbuehl
selber in ihrer Arbeit kulturelle und stilistische Grenzen. So
studierte sie Jazz- sowie klassischen indischen Gesang, und
auf ihrem bei ECM erschienenen Debüt-Album «April» sang
sie auch Eigenkompositionen und eigene Texte.
In «word byword» geht es um die Möglichkeiten, Sprache
genau und bewusst in Musik umzusetzen. «Ausgangspunkt
waren sowohl der Klang der Worte, die Bedeutung eines
Textes wie auch musikalische Aspekte wie Bewegungen,
Tempo oder Betonungen», sagt Abbuehl. Als Texte stellte
sie Gedichte der amerikanischen Autoren Gertrude Stein
und William Carlos Williams zur Auswahl, sowie englische
Übersetzungen japanischer Tanka und Haiku-Poesie. «Ich
fand da Gedichte vor, die einen formalen Rahmen vorgeben,
der trotzdem viel Interpretationsfreiheit lässt.»
Didaktik und Kunst
Wie kann man mit einem didaktisch orientierten Projekt
künstlerisch spannende Resultate erlangen? Abbuehl nennt
als Beispiel die Beschränkung auf Gesangsstimmen: «Ich
habe bewusst auf eine instrumentale Begleitung verzichtet,
damit die Studierenden nach verschiedenen Rollenverteilungen
innerhalb mehrerer Stimmen suchen mussten».
Das führte zu verschiedenen Arten von vokaler Musik,
vom Solo-Gesang bis zum auskomponierten 12-stimmigen
Vokal-Ensemble. Einige Studierende verdeutlichten musikalische
Aspekte der Texte, so das Prinzip der Wiederholung und
Variation, mit dem Gertrude Steins Texte arbeiten. Anderen
war es ein Anliegen, in der Musik die sprachlichen Zwischenräume
zum Ausdruck zu bringen – das, was die Texte nicht
aussprechen, aber suggerieren. Wieder andere fanden über
eine improvisatorische Auseinandersetzung mit den Texten
zu einer mehr oder weniger losen, elastischen Form.
So entstand ein breites Spektrum, von der direkten Umsetzung
von Textstrophen in musikalische Refrains bis hin zum
interaktiven Zusammenspiel zwischen einzelnen Stimmgruppen.
Bei den Aufnahmen selbst wurden auch räumliche
Wirkungen angestrebt. «Die grossen Ensemblestücke nahmen
wir etwa in der Eingangshalle des Studios auf, weil
dieses eine ganz andere Akustik als das Hörspielstudio hat»,
erzählt die Sängerin.
Das aufgenommene Material fügen Susanne Abbuehl
und Claude Pierre Salmony im Studio zum eigentlichen
Hörstück zusammen. Wichtiger als das Endprodukt ist vielleicht
auch in diesem Projekt der Lernprozess. «word by
word» ist an erster Stelle als Experiment gedacht: Suchen,
festlegen, verwerfen, spielen, verbinden, entwickeln, vernetzen.
«Ich hoffe, dass die Studierenden so Erfahrungen
sammeln, die sie später vertiefen können. Beim Komponieren,
im Radiostudio oder in der Arbeit mit Ensembles», so
Abbuehl.
Urs Mattenberger (© FHZ Focus Okt. 2005)
Texte von:
James Joyce, William Carlos Williams, Gertrude Stein, Basho, Saigyo
Konzept und musikalische Leitung:
Susanne Abbuehl
Regie:
Claude Pierre Salmony & Susanne Abbuehl
Komposition & Gesang:
(Gesangsstudierende der Jazzabteilung der Musikhochschule Luzern)
Myrta Amstad
Winnie Brückner
Sarah Büchi
Tobias Degen
Nina Gutknecht
Stefanie Hauenstein
David Leherbauer
Karin Meier
Nina Salis
Veronika Stalder
Erika Stöckli
Taja Waibel
Isabelle Wiss
Produktion:
Radio DRS2 & Musikhochschule Luzern (Abteilung Jazz)
Sendetermin
Schweizer Radio DRS 2: Mittwoch 22. März, 20:00 Uhr
Presse
Radiomagazin 11/06: Vorschau (pdf)
Go In Green
Go in Green. Go in, case. Go in green.
Go in green. go in. in, go in green.
Go in green.
Go in green.
Text von Gertrude Stein
als Ausgangsmaterial für Musik
As rays of moonlight stream
through a sudden gap
in the rain clouds –
if we could meet even
for so brief a moment!
Tanka von Saigyo (übersetzt von Burton Watson)
als Ausgangsmaterial für Musik
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